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Milosevics Mut braucht unsere Solidarität

Ein Interview mit Vladimir Krsljanin, dem Internationalen Sekretär der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS)

F: Sie waren kürzlich in Den Haag. Haben Sie Präsident Milosevic getroffen?

Vladimir Krsljanin: Leider diesmal nicht. Das "Tribunal" beschränkt Milosevic, den Präsidenten unserer Partei, auf ein Treffen im Monat, das wenige Stunden dauert, und an dem Mitglieder unserer Parteiführung teilnehmen. Ein solches Treffen fand vor einem Monat statt. Ich war jetzt bei der Eröffnung des "Verfahrens" als Besucher anwesend. Ich saß auf der Galerie und konnte ihm nur zuwinken.

F: Welchen Eindruck hat Milosevic auf Sie gemacht?

Vladimir Krsljanin: Er machte einen absolut überlegenen Eindruck nicht nur auf mich sondern wahrscheinlich auf alle Anwesenden. Da waren etwa tausend Journalisten aus der ganzen Welt. Ich denke, dass wir alle dieser Einschätzung zustimmen können. Dieser Eindruck wurde sicherlich dadurch verstärkt, dass Milosevic allein stand vor diesem "Tribunal" mit einem Riesenapparat im Dienste der NATO; und doch hat er mit bewundernswerter Furchtlosigkeit seine Verteidigung vorgetragen und alles zu Fall gebracht, was der Stab von NATO-Experten, die dafür ungeheure technische Hilfsmittel einsetzten, über Monate hinweg aufgebaut hatten. Ich denke, man kann die Leistung von Milosevic schwerlich übertreiben.

F: Milosevic hat sich gewöhnlich in Englisch an das "Gericht" gewandt. Welcher Sprache bediente er sich bei seiner Verteidigungsrede?

Vladimir Krsljanin: Serbo-Kroatisch. Er sprach Englisch, als er einige Verfahrensfragen zu Beginn des Prozesses behandelte aber nahm davon Abstand und hat in den letzten paar Monaten nur noch Serbo-Kroatisch vor dem "Tribunal" verwendet. Dies tut er auch weiterhin, und es könnte auch nicht anders sein; denn der wichtigste serbische Fernsehsender überträgt direkt aus dem "Gerichtssaal", und Milosevic mach davon vollen Gebrauch, um die ganze Nation anzusprechen.

F: Wie kam seine Rede in Belgrad an?

Vladimir Krsljanin: Lassen Sie mich einige Zahlen anführen, die deutlicher als Worte sprechen. Gegenwärtig stehen nach Meinungsumfragen 77% der Bürger der BR Jugoslawien hinter Milosevic. Sie haben das Gefühl, dass er nicht nur sich selbst verteidigt sondern die ganze Nation, die in Den Haag verunglimpft und erniedrigt worden ist. 67% glauben, dass Milosevic gewinnen wird und mit ihm die Wahrheit und die Gerechtigkeit, so dass die serbische Nation vor der ganzen Welt gerechtfertigt werden wird.

F: Wie lange hat Milosevic gesprochen?

Vladimir Krsljanin: Insgesamt elf Stunden über drei Tage. Zunächst sprach er gegen Ende des zweiten Verhandlungstages (13. Februar) aber nur eine halbe Stunde, bevor sich das "Gericht" vertagte. Drei weitere Tage waren der Verteidigung von Milosevic vorbehalten, aber davon tagte das "Gericht" an zwei Tagen nur drei Stunden am Vormittag. Etwa eine Stunde davon wurde für die Vorführung von Videos benötigt, die die Verbrechen zeigen, welche die NATO bei ihrer Aggression gegen die BR Jugoslawien begangen hat.

F: Die ausländischen Medien gebrauchten Superlative bei der Schilderung des Auftretens von Milosevic. Hatten Sie ihn so brillant erwartet?

Vladimir Krsljanin: Wir erwarteten, dass er sehr wirkungsvoll sprechen würde. Wir hatten gesehen, wie stark er bei seinem früheren Erscheinen vor dem "Tribunal" aufgetreten war. Wir kannten das große Gewicht jedes seiner Argumente, die er gebrauchte, um zu zeigen, dass das "Tribunal" ein illegales, manipuliertes Instrument im Dienste der Politik der NATO und insbesondere der USA ist.

Ich muss sagen, dass Milosevic mit den Kreuzverhören sowohl seine Freunde wie seine Feinde überrascht hat. Teile seines Auftritts wurde von schätzungsweise einer Milliarde Menschen gesehen. Besonders wichtig ist, dass er einen starken Eindruck hinterlassen hat. Die vorherrschende Ansicht ist nun, dass Milosevic ein Politiker ist, der nicht Seinesgleichen hat, nicht nur in Serbien sondern auch auf dem Balkan, dass er eine politische Figur von internationaler Statur ist. Jeder konnte sich selbst davon überzeugen.

F: Infolge dieses Eindrucks hat man angefangen, darüber zu spekulieren, wer Milosevic geholfen hat, eine derart überzeugende Präsentation vorzubereiten. Wie denken Sie darüber?

Vladimir Krsljanin: Mir ist diese Frage vielfach auf Pressekonferenzen gestellt worden. Ich denke, dass hier zwei Faktoren zusammenwirken. Die Stärke der Persönlichkeit von Milosevic, seine große intellektuelle Kraft sowie die Tatsache, dass er nicht allein ist, dass hinter ihm die Gesamtheit unserer Partei, alle echten Patrioten und praktisch die ganze Nation, sowie viele Freunde in der ganzen Welt stehen. Er spürt diese Unterstützung und seine Verantwortung, jede Lüge mit seinen Worten zu zerstören.

F: In seiner politischen Laufbahn hat er gezeigt, dass er ein fähiger Wirtschafts- und Finanzpolitiker ist, dem es gelang, die galoppierende Inflation zu zügeln. Hat er auch Jura studiert?

Vladimir Krsljanin: Ja, er hat in Belgrad studiert und war ein ausgezeichneter Student. Es ist bemerkenswert, dass die Mehrheit der Professoren seiner Fakultät ihn unterstützt. Etwa 30 bildeten eine Gruppe, die gegen das "Tribunal" eingestellt ist. Sie weisen seine Verstöße gegen rechtliche Normen nach, und damit die Illegalität des "Verfahrens". Viele Menschen aus allen Lebensbereichen möchten Präsident Milosevic unterstützen und bieten an, mit ihrer Aussage zu beweisen, dass er unschuldig ist und freigelassen werden muss.

F: Einige Beobachter sind davon überrascht, dass Milosevic selbst nach längerer Haft in ausgezeichneter körperlicher und geistiger Verfassung ist.

Vladimir Krsljanin: Ja, das ist bemerkenswert. Als ich ihn vor einem Monat traf, war ich von seiner Vitalität sehr beeindruckt. Umso mehr, als er in Isolation unter Bedingungen gehalten wird, die die Stärke von Menschen zerstört. In einer winzigen Zelle mit minimalen Einrichtungen, ständigem physischen und auch psychologischen Druck ausgesetzt. Das Bewußtsein, dass er für Gerechtigkeit für sein Volk kämpft, gibt ihm grenzenlose moralische Kraft, solchen zerstörerischen Bedingungen zu widerstehen. Sie fragen mich, wie ich die Zukunft dieses "Verfahrens" sehe. Ich bin überzeugt, dass jene, die ihn in Haft halten, und ihre NATO-Zahlmeister sich darüber ebenfalls ernste Gedanken machen und zu der Schlussfolgerung kommen, dass das Mittel, ihn zu besiegen, ist, ihn physisch zu brechen. Er hat das vorbereitete Szenario für das "Verfahren" über den Haufen geworfen, hat die Schwäche ihrer fabrizierten Argumente und die Lügen ihrer Zeugen bloßgestellt, er hat die Öffentlichkeit verblüfft und er hat Rückhalt bei gerecht denkenden Menschen in der ganzen Welt gefunden. In der Vorhersage, die nun vom Hager "Tribunal" gemacht wird, dass das "Verfahren" zwei Jahre oder sogar länger dauern könnte, sehe ich den Versuch, ihn durch endlose Verzögerungen zu zermürben. Keiner ist aus Eisen, unerträgliche Bedingungen können jeden zerstören. Milosevic schlägt eine Schlacht, in der er die Unterstützung aller verdient, die an Demokratie glauben und auf Wahrheit und Gerechtigkeit Wert legen. Fordern Sie seine Freilassung, damit er sich in Freiheit verteidigen kann! Das Internationale Komitee für die Verteidigung von Slobodan Milosevic unterstützt diese Forderung im Zusammenhang mit der umfassenderen Forderung, dass er bedingungslos freigelassen und das "Tribunal" abgeschafft wird. Diejenigen, die ihn in Haft halten, wissen, dass sie außer physischem Mißbrauch kein Mittel haben, ihn zu besiegen. Milosevics Mut verlangt nicht nur Anerkennung und Bewunderung sondern auch Verteidigung und Unterstützung durch alle anständigen Menschen.

Fragen von Jan Hrobar
© "Halo Noviny"

Übersetzung nach der Englischen Übersetzung aus dem Tschechischen von Colin Meade:
Klaus von Raussendorff


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