Der Miloševic-Prozess ist eine Travestie

Die politische Notwendigkeit gebietet, dass der ehemalige jugoslawische Präsident für schuldig befunden wird - selbst wenn die Beweislage dies nicht hergibt.

Heute vor zwei Jahren begann in Den Haag der Prozess gegen Slobodan Miloševic. Die Hauptanklägerin Carla Del Ponte triumphierte, als sie die 66 Anklagepunkte wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit und Völkermord verkündete, die dem ehemaligen jugoslawischen Präsidenten vorgeworfen werden. CNN gehörte zu jenen, die dies "den bedeutendsten Prozess seit Nürnberg" nannten, während die Anklage die "Verbrechen von mittelalterlicher Grausamkeit" darstellte, die angeblich von dem "Schlächter von Belgrad" begangen worden waren.

Aber seit jenen Tagen der Begeisterung sind die Dinge für Frau Del Ponte schrecklich schlecht gelaufen. Die Anklagen im Bezug auf Kosovo galten als der stärkste Teil ihrer Anklageerhebung. Aber nicht allein erlitt die Anklage einen bemerkenswerten Fehlschlag bei der Beweisführung für Miloševics persönliche Verantwortung für die vor Ort begangenen Gräueltaten, auch die Natur und der Umfang der Gräueltaten wurden in Frage gestellt.

Viele Zeugen der Anklage wurden als Lügner bloßgestellt - so wie Bilall Avdiu, der behauptete, in Racak "etwa ein halbes Dutzend verstümmelte Leichen" gesehen zu haben, auf dem Schauplatz der umstrittenen Tötungen, welche den US-geführten Kosovo-Krieg auslösten. Gerichtsmedizinische Beweise bestätigten später, dass keine der Leichen verstümmelt war. Insider, die, wie uns gesagt wurde, alles über Miloševic ausplaudern würden, erwiesen sich als nichts dergleichen. Rade Markovic, der ehemalige Leiter des jugoslawischen Geheimdienstes, sagte am Ende zu Gunsten seines ehemaligen Chefs aus und sprach davon, dass er anderthalb Jahren "des Drucks und der Folter" unterworfen worden war, um eine von dem Gericht präparierte Erklärung zu unterzeichnen. Einem anderen "Insider", Ratomir Tanic, wurde nachgewiesen, im Sold des britischen Geheimdienstes gestanden zu haben.

Als es zur Anklage im Bezug auf die Kriege in Bosnien und Kroatien kam, erging es der Anklage wenig besser. Im Falle des schlimmsten Massakers - von zwischen 2000 und 4000 Männern und Jungen in Srebrenica im Jahre 1995 - , für das Miloševic wegen Mittäterschaft angeklagt worden ist, hat die Mannschaft von Del Ponte nichts zutage gefördert, was das Urteil der von der niederländischen Regierung in Auftrag gegebenen fünfjährigen Untersuchung die zu dem Ergebnis kam, es gebe, "keinen Beweis, dass Befehle für das Gemetzel von serbischen politischen Führern in Belgrad kamen". entkräftet hätte.

Um der erlahmenden Anklage unter die Arme zu helfen, sind der Reihe nach profilierte politische Zeugen in den Gerichtssaal gekarrt worden. Zuletzt der Bewerber um das Präsidentenamt der USA und ehemalige NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark, dem unter Verletzung des Prinzips der Verfahrensöffentlichkeit gestattet wurde, in geschlossener Sitzung auszusagen, wobei Washington die Möglichkeit hatte, zu beantragen, einzelne nach seiner Meinung gegen US-Interessen verstoßende Teile seiner Aussage aus dem öffentlichen Protokoll zu entfernen.

Jedem unvoreingenommenen Beobachter dürfte es schwer fallen, sich der Schlussfolgerung zu entziehen, dass Del Ponte rückwärts gearbeitet hat - erst anklagen und dann versuchen, Beweise zu finden. Es ist schon bemerkenswert, dass im Lichte eines solchen Bruchs mit einem geordneten Verfahrens nur eine westliche Menschenrechtsorganisation, die British Helsinki Group, Bedenken geäußert hat. Richard Dicker, der Prozessbeobachter von Human Rights Watch, erklärte sich selbst "beeindruckt" von der Sache der Anklage. Zyniker könnten sagen, dass angesichts des Umstands, dass, George Soros, der Förderer von Human Rights Watch, das Tribunal finanziert, von Dicker nichts anderes zu erwarten ist.

Judith Armatta, eine US-amerikanische Rechtsanwältin und Beobachterin für die Coalition for International Justice (eine andere Soros-finanzierte NGO) geht noch weiter und freut sich hämisch, dass "wenn das Urteil ergeht, und er in seiner Zelle verschwindet, niemand mehr von ihm hören wird. Er wird aufgehört haben, zu existieren." So viel zu der schönen alten Vorstellung, der Zweck eines Verfahrens bestehe darin, Schuld festzustellen. Für Armatta, Dicker und ihre Hintermänner scheint es, dass Milsovevic schon dadurch schuldig ist, dass er angeklagt wird.

Schreckliche Verbrechen sind auf dem Balkan währen der 90er Jahre begangen worden, und es ist richtig, dass jene, die dafür verantwortlich sind, vor ein ordentliches Gericht gestellt werden. Aber das Haager Tribunal, ein ausgesprochen politisches Gremium, das von den NATO-Mächten eingesetzt und finanziert worden ist, die vor vier Jahren einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen das Jugoslawien von Miloševic geführt haben - und das die Prüfung unmittelbar einsichtiger Beweise dafür abgelehnt hat, dass sich westliche Führer in diesem Konflikt offensichtlicher Kriegsverbrechen schuldig gemacht haben, - ist eindeutig nicht das Vehikel dafür.

Weit davon entfernt, eine Instanz unparteiischer Rechtsprechung zu sein, wie viele Fortschrittliche immer noch glauben, hat das Tribunal seine Voreingenommenheit für die wirtschaftlichen und militärischen Interessen der mächtigsten Nationen des Planeten bewiesen. Miloševic sitzt auf der Anklagebank wegen Behinderung dieser Interessen und, ungeachtet dessen, was im Gerichtssaal vor sich gegangen ist, gebietet die politische Notwendigkeit, dass er für schuldig befunden wird, wenn nicht für alles, dessen er angeklagt ist, so doch für genug, um lebenslänglich eingekerkert zu werden. Dieser Affront gegen die Rechtsprechung in Den Haag während der letzten zwei Jahre liefert allen eine ernüchternde Lektion, die so viel Hoffnung auf den neu geschaffenen Internationalen Strafgerichtshof setzen.

Die USA haben bereits dafür gesorgt, dass sie nicht der Rechtsprechung dieses Gerichts unterworfen sind. Mitglieder des Sicherheitsrats haben die Befugnis, seine Ermittlungen zu erschweren oder auszusetzen. Das Ziel eines internationalen Gerichtssystem, unter dem das Recht auf alle gleichermaßen angewandt werden würde, ist sehr schön. Aber in einer Welt, in der einige Staaten offenkundig gleicher sind als andere, scheint seine Verwirklichung ferner den je.

Neil Clark
Aus: "The Guardian" (London) v. 12. Februar 2004

Übersetzung aus dem Englischen: Klaus von Raussendorff

Neil Clark ist Autor und Spezialist für Osteuropa und den Balkan


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