FREEDOM ASSOCIATION
SPECIAL BULLETIN No. 8

22. Mai 2002

Forensische Wissenschaft keine Stütze der Anklage

Der französische Gerichtsmediziner Eric Bacard bezog sich in seiner heutigen Zeugenaussage auf Berichte von Pathologen aus verschiedenen Örtlichkeiten in Kosovo und Metohia, wo Leichen von während des Konflikts gestorbenen Menschen gefunden wurden. Offensichtlich waren diese Befunde zwar auf einschlägige wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt, aber in der Absicht formuliert, Vorverurteilungen über Verbrechen gegen die Opfer auszusprechen. Wo es also nicht möglich war, zu einer eindeutigen Schlußfolgerung zu kommen, d.h. wo verschiedene Todesursachen möglich waren, bestanden die Berichte auf Ursachen, die implizierten, dass Verbrechen begangen wurden. Milosevic gelang es jedoch in seinem Kreuzverhör, solche Berichtstendenzen aufzudecken, da der Zeuge in seinen Antworten den Gepflogenheiten seines Berufsstandes verpflichtet bleiben und wahrheitsgetreu aussagen mußte, was oft nicht mit den Absichten der Anklage übereinstimmte.

Angesichts des in diesen Fragen hohen Grades von Expertenwissen können hier nur einige charakteristische Beispiele angeführt werden. Auf Milosevics Frage, wie es komme, dass für ein und dieselbe Person verschiedene Todesursachen angegeben werden konnten, antwortete Bacard, es hätten eben nur verschiedene Gründe angegeben werden können. Der Zeuge sagte, das die Umstände, die zum Tode führten, etwa bedingt durch Kriegseinwirkung oder durch eine Auseinandersetzung zwischen zwei Personen, nur als eine Hypothese postuliert werden könnten, und nicht, wie im Bericht geschehen.

Die meisten der zweideutigen Aussagen beziehen sich auf bis auf das Skelett verweste Leichen. Befragen durch Milosevic, wie es also möglich sei zu unterscheiden, ob Verletzungen den Personen lebend oder tot mit einem scharfen Gegenstand zugefügt wurden, oder wie solche Aussagen im Bezug auf verkohlte Leichen getroffen werden können, antwortete Bacard, dass eine klare Anwort in den meisten Fällen ziemlich schwierig oder praktisch unmöglich ist. Ausdrücklich erklärte er, dass Augenbinden niemals bei Opfern gefunden wurden, was in einem der Berichte erwähnt wird.

Verschiedene Fragen von Milosevic bezogen sich auf Einzelheiten des Berichts der Pathologen aus Racak. Und aus den Antworten des Zeugen hätte niemand schließen können, dass zuverlässige Befunde zeigten, es seien aus kurzer Entfernung Morde begangen worden, d.h. es gab kein Massaker, wie von dem Chef der OSZE-Mission William Walker behauptet. Bacard bestritt sogar Behauptungen in dem Bericht der Pathologen aus Racak, indem er erklärte, dass in keinem der Fälle die Entfernung, aus der die dort gefundenen Opfer erschossen wurden, genau hätte festgestellt werden können. Der Zeuge blieb dabei, dass keine kaltblütige Exekution in Racak stattgefunden habe, da nur Schüsse von weniger als einigen wenigen Zentimetern als solche festgestellt werden könnten.

Bezeichnenderweise enthielt der Bericht der Pathologen aus Racak nichts über eine "Parafinhandschuh"-Analyse, durch die bewiesen worden war, dass die Toten, bevor sie erschossen wurden, selbst mit Feuerwaffen geschossen haben. Bacard sagte, dass diese Methode als unzuverlässig abgelehnt worden sei. Doch er konnte nicht die Frage der Amici beantworten, warum die traditionelle Analyse der Kleidung der Opfer nicht durchgeführt wurde, was selbst heute noch möglich wäre.

Wie ungenau, unvollständig und insbesondere einseitig die Berichte über die Befunde der Pathologen sind, auf die sich die Anklage stützt, zeigten einige von Bacards Schlussfolgerungen. In einem der Berichte wird gesagt, dass einige der Getöteten schon aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht an den bewaffneten Konflikten teilnehmen konnten, wie beispielsweise jener, der Blasenkrebs hatte. Aber Bacard sagte aus, dass die Krankheit in einem Stadium war, in dem die Person an bewaffneten Konflikten hätte teilnehmen können. Desgleichen wurde in einem anderen Bericht behauptet, dass von 20 Skeletten 19 weiblich seien. Aber der Zeuge musste klarstellen, dass das Geschlecht der Leichen in ihrem Stadium der Skelettierung nicht mit Sicherheit festgestellt werden konnte.

Im heutige Kreuzverhör gelangte Bacard zu der Schlussfolgerung, dass Berichte über die Opfer der NATO-Bombardierungen im Gefängnis von Dubrava nicht den Tatsachen entsprechen, da diese alle durch Explosionen getötet wurden, und ihre späteren Wunden durch Fallen auf verschiedene Objekte verursacht wurden, d.h. einige der Gefangenen sind nicht exekutiert worden, nachdem die Bombardierungen aufgehört hatten.

Die Unzuverlässigkeit einiger der Berichte der Pathologen wurde heute auch durch den Fall von Suva Reka bewiesen, wo Bacard nicht zwischen sich völlig widersprechenden Befunden von zwei Pathologen entscheiden konnte.

Fotos, die dem Zeugen von einem der Amici gezeigt wurden, aus denen klar ersichtlich ist, dass die Leichen in dem Graben bei Racak von woanders her dorthin gebracht worden waren, veranlassten Bacard nur zu der Feststellung, dass Fotos keinen zuverlässigen Beweis darstellen könnten.

Übersetzung aus dem Englischen:
Internationales Komitee für die
Verteidigung von Slobodan Milosevic
- Deutsche Sektion -


zurück  zurück