USA erwirken Ausschluß der Öffentlichkeit

Den Haag: General Wesley Clark vor dem Milosevic-Tribunal. Kontaktsperre für Angeklagten

Am gestrigen Montag trat der derzeitige US-amerikanische Präsidentschaftskandidat Wesley Clark als Zeuge der Anklage im Prozeß gegen Slobodan Miloševic auf. Für Öffentlichkeit und Medien bleiben die Tore des Gerichtssaals jedoch während der heute fortgesetzten Aussage General Clarks auf Anordnung der US-amerikanischen Regierung geschlossen. Was Clark vor dem Den Haager Kriegsverbrechertribunal (ICTY) hervorbringt und mit welchen Fragen und Fakten der ehemalige jugoslawische Präsident den früheren NATO-Oberbefehlshaber im Kreuzverhör konfrontiert, wird frühestens am Freitag - und dann lediglich in Auszügen - bekannt werden. Bis dahin hat die US-Regierung Zeit, die Aufzeichnungen der Verhandlung aus "nationalem Interesse" zu zensieren.

Tiphaine DicksonVor zahlreichen Vertretern der Medien, die am Morgen kamen, um Clark anreisen zu sehen, dann aber von der Verhandlung ausgeschlossen waren, kritisierte die kanadische Anwältin Tiphaine Dickson vom Internationalen Komitees zur Verteidigung von Slobodan Miloševic (ICDSM) die Maßnahmen gestern aufs Schärfste: "Jeder Zweifel über die politische Natur des ICTY ist ausgeräumt, nachdem die Richter bekanntgaben, die Bedingungen seien ihnen von der US-Regierung aufgezwungen worden." Damit würde das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozeß verletzt. Auch zeige sich der politische Einfluß auf das ICTY, das keinesfalls den Anforderungen eines unabhängigen Gerichts entspräche.

Daß es Wesley Clark ist, der wegen von der NATO begangenen Kriegsverbrechen während der Aggression gegen die Bundesrepublik Jugoslawien vor Gericht gehört, wurde gestern von einer Gruppe kanadischer Anwälte um Michael Mandel und David Jakobs bekräftigt. In einem offenen Brief verweisen die Juristen auf neue Beweise gegen Clark, die aus seinen eigenen Darstellungen hervorgingen. Die Anwälte hatten sich nach dem Krieg gegen Jugoslawien an das ICTY gewandt, um eine Klage gegen politische und militärische Köpfe der NATO-Staaten zu erwirken. Chefanklägerin Carla del Ponte schloß jedoch aus, gegen die NATO vorzugehen. Als auch Amnesty International der westlichen Militärallianz vorwarf, sich der Kriegsverbrechen schuldig gemacht zu haben, beugte sich das Tribunal dem Druck der Öffentlichkeit und begann eine Voruntersuchung. Aus der Begründung für die Entscheidung, keine Untersuchung gegen Verantwortliche der NATO-Aggression einzuleiten, die sogar General Clark selbst als "technisch illegal" bezeichnete, geht die politische Motivation der Ankläger -die sehr offensichtlich nie ernsthaft vorhatten, die Vorwürfe zu prüfen, sondern lediglich die Illusion, es handele sich um eine faire Instanz, zu befriedigen - klar hervor.

Und so tritt der Meister des "modernen Krieges" der humanitären Kollateralschäden als Zeuge der Anklage auf, was ihm, so spekulierten die Medien im Vorfeld, vor allem die Aufmerksamkeit der Medien im Wahlkampf sichern soll. Während das ICTY Clark durch die Veröffentlichung dessen PR-Kontakte hilfreich zur Seite steht, wurde am Freitag gegen Miloševic, weil er in den serbischen Parlamentswahlen als Kandidat antritt und eine seiner politischen Stellungnahmen an die Öffentlichkeit gelangte, eine verschärfte Kontaktsperre verhängt. Nur die registrierten juristischen Assistenten Miloševics sowie dessen Familie haben Zugang oder die Möglichkeit eines Telefonkontakts. "Die Entscheidung ist eine Einmischung in die Wahlen in Serbien durch die USA und ihre Satelliten, inklusive des Tribunals. Es ist ein Versuch, die Wahlen zu sabotieren und dem serbischen Volk den Willen der USA aufzuzwingen... Miloševic werden damit jegliche Rechte entzogen", so der Anwalt Chris Black gestern in einem offenen Brief an das ICTY.

Cathrin Schütz, Den Haag

junge Welt vom 15. Dezember 2003


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