Milosevic-Prozeß in Den Haag: Vorerst kein Geld aus Belgrad?

jW sprach mit Vladimir Krsljanin, Koordinator des Internationalen Komitees für die Verteidigung von Slobodan Milosevic (ICDSM)

F: Slobodan Milosevic finanziert seine Verteidigung vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal ausschließlich aus Spendengeldern, weil er die Legitimität des Gerichts in Den Haag bestreitet und die ihm zustehende Kostenerstattung für seine Verteidigung ablehnt. Finanzielle Entlastung versprach ein vom serbischen Parlament beschlossenes Gesetz zur Unterstützung der Haager Angeklagten. Jetzt sieht es so aus, als könnte das Gesetz noch scheitern.

Von dem Gesetz hätten nur jene Angeklagten profitiert, deren Verteidigung nicht von Den Haag finanziert wird. Gegenwärtig würde es also lediglich für Milosevic und Vojislav Seselj gelten. Nach Verabschiedung des Gesetzes vor drei Wochen wurde die serbische Regierung verpflichtet, innerhalb von 14 Tagen Regelungen für dessen Umsetzung zu beschließen. Dazu kam es aber nicht, weil das serbische Verfassungsgericht die Anwendung des Gesetzes im letzten Moment vorübergehend suspendiert hat. Die Zukunft des Gesetzes ist völlig ungewiß.

F: Wer hätte ein Interesse daran, das Inkrafttreten zu sabotieren?

Zunächst muß ich sagen, daß das Gesetz für uns schon in seiner ursprünglichen Form nur begrenzte Hilfe gebracht hätte. Schätzungen zufolge hätte sich die Unterstützung auf nur 10 000 Euro monatlich belaufen. Für die Vorbereitung der Regelungen war Finanzminister Mladjan Dinkic verantwortlich. Er ist Kopf der Partei G17+, die sich bereits bei der Abstimmung im Parlament enthalten hatte. Laut Dinkic würden die in seinem Haus erarbeiteten Umsetzungsbestimmungen ohnehin dafür sorgen, daß Milosevic und Seselj keinen Pfennig erhalten.

F: Wie kam es überhaupt zu der Gesetzesinitiative. Serbien hat doch entgegen den Behauptungen der westlichen Regierungen mit Den Haag kooperiert?

Das Gesetz wurde von Seseljs Radikaler Partei Serbiens initiiert, aber im Detail mit der Demokratischen Partei Serbiens, der Partei des neuen Regierungschefs Vojislav Kostunica ausgearbeitet. Abgesehen von der Partei des ehemaligen Premiers Zoran Djindjic hatten alle im Parlament vertretenen Parteien das Gesetz zunächst unterstützt. Später haben zwei der drei Regierungsparteien gegen das Gesetz gestimmt, die G17+ hat sich enthalten. Dennoch wurde der Entwurf mit großer Mehrheit verabschiedet.

F: Wie hat der Westen darauf reagiert?

Noch am Tag der Verabschiedung setzte eine große öffentliche Gegenkampagne ein, die sich schlimmster westlicher Propaganda bediente. Federführend dabei waren von den USA finanzierte Nichtregierungsorganisationen. Ihrer Stimme wurde großer Raum in den Medien eingeräumt, deren Köpfe zum Großteil noch jene sind, die während Djindjics Diktatur eingesetzt wurden. Auch die Richter am Verfassungsgericht wurden von der Djindjic-Regierung ernannt. Die Parteien, die sich gegen das Gesetz gestellt haben, sind jene, die auf der Gehaltsliste der USA standen oder stehen.

F: Was bedeutet es für die Verteidigung Milosevics, daß das Gesetz vorerst auf Eis gelegt ist?

Wir haben wirklich größte Probleme. Die Zeit der Vorbereitung Hunderter Zeugen der Verteidigung hat begonnen, Tausende von Dokumenten müssen ausgearbeitet werden. Wir wünschen, die Zahl der in Den Haag zur Verfügung stehenden Mitarbeiter zu erhöhen. Doch bisher ist schon der Aufenthalt eines einzigen der drei Belgrader Rechtsassistenten nur mit Mühe zu bewältigen. Das Gesetz hat uns bisher eher geschadet. Viele haben die Entwicklung nicht verfolgt und gehen davon aus, daß wir staatliche Unterstützung erhalten. Auch die Angriffe auf das deutsche Unterstützungskomitee geben Anlaß zur Sorge. Nach wie vor werden Bankkonten gekündigt, obwohl der Rechtshilfefonds völlig legal ist. Jeder, dem die Wahrheit über das serbische Volk und die NATO-Aggression am Herzen liegt, sollte uns jetzt helfen.

Interview: Cathrin Schütz

junge Welt vom 24. Mai 2004


zurück