Maulkorberlass des Haager Tribunals gegen Slobodan Miloševic:
Unrechtmäßig, unlogisch und ausdrücklich politisch

Am 12. Dezember untersagte das Internationale Straftribunal für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) Slobodan Miloševic alle Besuche und Telefongespräche, ausgenommen Familienangehörige, diplomatische Vertreter und Anwälte, aufgrund der Behauptung, er habe im Zusammenhang mit den bevorstehenden Wahlen in Serbien Verbindung mit Medien gehabt.

Das Besuchs- und Telefonverbot ist eine Strafmaßnahme, um Herrn Miloševic an der Ausübung seines Rechts auf frei Meinungsäußerung und seines aktiven Wahlrechts nach serbischem Recht zu hindern. Das ICTY missachtet und entwürdigt den Eckstein des Strafrechts: die Unschuldsvermutung. Und es tritt dadurch in Erscheinung, dass es sich in die politischen Angelegenheiten Serbiens einmischt, indem es den Präsidenten einer legal verfassten und legitimen politischen Partei - der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS) - mundtot macht und damit den Wahlkampf der SPS lahm legt.

Diese beispiellose Entscheidung ergeht, nachdem die Regierung der USA durchgesetzt hat, die Zeugenaussage von Wesley Clark an Bedingungen zu knüpfen. Clarks Vernehmung erfolgt hinter geschlossenen Türen und wird Gegenstand einer Überprüfung und anschließenden Zensur durch die USA sein. Wohlgemerkt, General Clark ist Kandidat im Präsidentschaftswahlkampf der USA - wie eben auch Slobodan Miloševic Kandidat im serbischen Parlamentswahlkampf ist.

Die Pressemitteilung des ICTY, in der die "weiter übertragene" ("retransmitted")- und von den USA genehmigte - Zeugenaussage angekündigt wird, beliefert die Presse mit der Telefonnummer der Public Relations-Firma des US-Präsidentschaftskandidaten. Eindeutig obliegen dem ICTY - einer Schöpfung des UN-Sicherheitsrates - Haupttätigkeiten, die ersichtlich in keiner Beziehung zu solchen stehen, die Gerichten im allgemeinen zugeschrieben werden: Das heißt, der Ausübung von Rechtsprechung, unabhängig und unparteiisch, in fairen und öffentlichen Verfahren.

Die Entscheidung, Kommunikation und Besuche zu verbieten, stellt eine außerordentliche Verletzung internationalen Rechts und grundlegender Prinzipien der Legalität dar. Das ICTY hat seine drakonische Maßnahme gerechtfertig, indem es die Besorgnis äußerte, dass die Presse irgendwie in das Mandat der Institution eingreifen könnte, wie es in der Entscheidung des Stellvertretenden Verwaltungschefs des Tribunals ("Registrar") heißt:

"Die besonderen Umstände des Gefangenen erfordern (sic) die Verhängung von Maßnahmen, die geboten sind zur Vermeidung von potentiell schädlicher Medienberichterstattung aufgrund von uneingeschränkter Erlaubnis zu Kommunikation und Besuchen bis auf weiteres."

Welche "potentiell schädliche Medienberichterstattung"? Von wem oder was genau? Welche "besonderen Umstände"? Gilt Herr Miloševic als schuldig? Es scheint so, da der Maulkorb-Erlass ausführt,

"der Angeklagte hat, wie oben vermerkt, schon früher entweder direkt Medien-Verbindungen aufgenommen oder hat sein Privileg ausgenutzt, mit anderen zu kommunizieren, die wiederum unter Verstoß gegen die Haftregeln Botschaften durch die Medien verbreitet haben, die zu einer breiten Medienaufmerksamkeit und -berichterstattung über die Tatsache führten, dass ein wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschheit und Kriegsverbrechen Beschuldigter wie der Angeklagte ohne weiteres serbischen Parlamentswahlkampf betreibt ("is facilitating, with ease, the ongoing Serbian parliamentary elections campaign")

Diese unbelegte Behauptung ist dazu angetan nahe zu legen, dass Slobodan Miloševic der Verbrechen schuldig ist, die er "angeblich" begangen haben soll, und daher nicht das Recht haben sollte, den serbischen Wahlkampf - der Sinn der Formulierung ist nicht leicht verständlich - zu "ermöglichen" ("facilitate"). Das ICTY mag ja die Tatsache missbilligen, dass Slobodan Miloševic an dem demokratischen Prozess seines Landes beteiligt ist, was sein gutes Recht ist als serbischer Staatsbürger, Präsident der Sozialistischen Partei Serbiens und ehemaliger Präsident seines Landes - dreimal von seinem Volk gewählt. Doch eine Institution, die behauptet, eine gerichtliche Funktion zu erfüllen, und dies nach internationalem Recht, muss nach Recht und Gesetz handeln. Der gegen Präsident Miloševic verhängte Maulkorb-Erlass steht im Widerspruch zu Rechtsprinzipien und internationalen Menschenrechtsinstrumenten. Die Art, wie er politisch begründet wird, gibt zu der Sorge Anlass, dass das ICTY nicht die für einen Gerichtshof erforderliche Unabhängigkeit besitzt.

Waffengleichheit

Die Entscheidung des Verwaltungschefs des Gerichts ("Registrar") verletzt den Grundsatz der Waffengleicheit. "Waffengleichheit" ist ein internationales juristisches Konzept, das dem "rechtsstaatlichen Verfahren" entspricht und als Garantie für einen fairen Prozess von grundlegender Bedeutung ist.

Beim ICTY ist es so, dass die Verwaltung des Tribunals ("Registry") den uneingeschränkten Zugang zu den Medien für die Anklagevertretung ermöglicht, finanziert, in anderer Form unterstützt und fördert, während sie irgendwelche derartigen Kontakte seitens eines Angeklagten unterbindet. Die Registry veranstaltet, finanziert und unterstützt anderweitig gemeinsame Pressebriefings des ICTY-Sprechers für die Veraltung und die Kammern des Tribunals zusammen mit der Sprecherin der Anklagevertretung. Zusammenfassungen dieser Pressekonferenzen werden auf der ICTY-Webseite unter http://www.un.org/icty/latest/index.htm veröffentlicht.

Artikel 21 des Statuts des ICTY bestimmt die Mindestrechte eines Angeklagten. Diese Rechte umfassen den Grundsatz der Waffengleichheit.

Der Grundsatz der Waffengleichheit ist im Zusammenhang mit einem Verfahren dahin gehend zu interpretieren, dass jede Seite angemessen Gelegenheit erhalten muss, ihre Sicht des Falles darzustellen, und zwar unter Bedingungen, die sie nicht einem wesentlichen Nachteil gegenüber der Gegenseite aussetzt.

Das vom Chef der Tribunalverwaltung ausgesprochene Verbot setzt Präsident Miloševic "einem wesentlichen Nachteil gegenüber der Gegenseite" aus, da ganz einfach die "Gegenseite" einen ständigen Kontakt zu den Medien unterhält, den sie nutzt, um ihre Sicht des Falles darzustellen, und sie tut dies mit der Hilfe und Unterstützung der Gerichtsverwaltung.

Die Waffengleichheit ist ferner verletzt, wenn die Verwaltung des Tribunals gleichzeitig Besuche bei einem Angeklagten verbietet, und zwar auf der Grundlage eines Verbots von Kontakten mit den Medien und dabei gleichzeitig gemeinsame Pressebriefings der Sprecher des Tribunals und der Anklage ermöglicht. Das Ungleichgewicht hat verblüffende Dimensionen.

Dass der Chef der Tribunalverwaltung versuchen würde, den Wahlkampf der Sozialistischen Partei Serbiens zu behindern und Slobodan Miloševic durch Entzug von Besuchen und Telefongesprächen zu bestrafen, und dies unmittelbar vor der Zeugenaussage eines Kandidaten im US-Präsidentschaftswahlkampf - auf dessen Büro für Öffentlichkeitsarbeit die Presse von demselben Verwaltungschef des Tribunals hingewiesen worden ist - ist der Praxis ordentlicher Rechtsprechung so unerhört fremd, dass dies die ganze Unfähigkeit des ICTY offenbart, eine rechtsprechende Funktion gemäß internationalen rechtlichen Standards zu erfüllen.

Die Entscheidung des Verwaltungschefs des Tribunals verletzt die Freiheit der Meinungsäußerung und greift in den demokratischen Prozess Serbiens ein

Sicherheitserwägungen können unter Umständen durchaus die Nichtweitergabe von bestimmten Informationen an die Medien durch Besucher rechtfertigen wie beispielsweise Grundrisszeichnungen der Haftanstalt. Sicherheitserwägungen durchziehen als Grundmuster die Gesetzgebung über Besuche in Haftanstalten sowohl im internationalen wie nationalen Recht.

Im Gegensatz dazu stellt die Entscheidung des Verwaltungschefs des Tribunals ein Pauschalverbot von Kontakten mit den Medien dar. Keinerlei Sicherheitserwägungen sind zur Begründung des Verbots angeführt worden, das auf einen Maulkorberlass hinausläuft.

Das ICTY ist gehalten, die Bestimmungen der Internationalen Konvention über zivile und politische Rechte anzuwenden und zu berücksichtigen.

Der Angeklagte hat gemäß Artikel 21 des Statuts des ICTY so lange als unschuldig zu gelten, bis seine Schuld über jeden vernünftigen Zweifel hinaus nachgewiesen ist. Der Angeklagte behält sein Recht auf freie Meinungsäußerung.

Auch Besucher des Angeklagten genießen das Recht auf freie Meinungsäußerung, ein Grundrecht gemäß Artikel 19 der Universellen Erklärung der Menschenrechte

"Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht umfasst die Freiheit, Meinungen unangefochten anzuhängen und Informationen und Ideen mit allen Verständigungsmitteln und ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten."

Die Berufungskammer des ICTY hat das Recht der Öffentlichkeit auf Informationen aus der Presse als einen Bestandteil der Meinungsfreiheit anerkannt. Mit einstweiliger Verfügung in dem Fall Ankläger gegen Brdjanin hob die Berufungskammer die Entscheidung der Verfahrenskammer auf, den Journalisten Jonathan Randall unter Strafandrohung förmlich vorzuladen. Die Berufungskammer befand:

"Wie festgestellt, schließt das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht nur das Recht von Journalisten und Medienorganisationen ein, Informationen frei zu verbreiten. Es umfasst auch ein Recht von Mitgliedern der Öffentlichkeit Informationen zu erhalten. Wie der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in seiner Entscheidung im Falle Fresso und Roire gegen Frankreich ausführt: "Nicht allein hat die Presse die Aufgabe Informationen und Ideen über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse zu verbreiten: Die Öffentlichkeit hat auch ein Recht, sie zu empfangen."

Aus dem Fall Brdjanin ergibt sich die vitale Rolle von Kriegskorrespondenten für die Arbeit des Tribunals. Es wird geschlussfolgert:

Die Berufungskammer wird die Arbeit von Berufen, die ein öffentliches Interesse erfüllen, nicht unnötig behindern.

Das britische House of Lords hat im Falle Regina v. Secretary of State for the Home Department Ex Parte Simms (A.P.) Secretary of State for the Home Department Ex Parte O´Brien entschieden, das vom britischen Innenministerium erlassene Verbot von Interviews eines verurteilten Gefangenen in Strafhaft mit den Medien aufzuheben.

Der Fall O´Brien begründet die Auffassung, dass verurteilte Gefangene das Recht haben, Interviews mit den Medien zu führen und die Unfairness ihres Verfahrens zur Diskussion zu stellen. Lord Steyn führt dazu aus:

Die Gefangenen befinden sich im Gefängnis, weil sie als ordnungsgemäß verurteilt gelten. Sie möchten die Begründetheit ihrer Verurteilungen in Frage stellen. Im Prinzip lässt sich schwerlich eine wichtigere Funktion vorstellen, welche die freie Meinungsäußerung erfüllen könnte.

Im Fall O´Brien wurde die Realität von Fehlurteilen anerkannt, und auch die entscheidende Rolle der Medien bei deren Aufdeckung.

Präsident Slobodan Miloševic besteht auf seiner Unschuld und weigert sich beharrlich, das ICTY als Gericht anzuerkennen. Er ist unschuldig, bis zum Beweis des Gegenteils, und hat jedes Recht, die Legitimität dieser Institution zu bestreiten. Durch das Verbot von Kontakten mit den Medien hat der Verwaltungschef des Tribunals das Recht von Herrn Miloševic, seiner Besucher und der Öffentlichkeit im allgemeinen verletzt. Auch gegen die serbische Demokratie zielt diese Maßnahmen. Die Sozialistische Partei Serbiens hat Slobodan rechtmäßig zu ihrem Parteipräsidenten gewählt und kann ihn in voller Übereinstimmung mit dem serbischen Recht als ihren Kandidaten aufstellen. Das ICTY hat auf unerklärliche Weise entschieden, die Sozialistische Partei zu beeinträchtigen, und hat damit demonstriert, dass es politische - nicht juristische - Belange vertritt. Diese Maßnahme erfolgte im Namen des Mandats des Tribunals "im ehemaligen Jugoslawien den Frieden wieder herzustellen". Die Maßnahme ist unerhört, und die Konsequenzen für Serbien - und für die Zukunft des internationalen Rechts - sind katastrophal.

Das ICTY mag über die Kritik von Präsident nicht erfreut sein. Nichtsdestoweniger überwiegt der Nutzen, den die Öffentlichkeit davon hätte, wenn ihm erlaubt würde, mit den Medien zu kommunizieren, was immer auch dadurch an Unannehmlichkeiten über das ICTY kommen mag. Wie Lord Steyn dazu ausgeführte:

Die Freiheit der Meinungsäußerung ist in sich von Bedeutung: Sie ist ein Wert an sich. Aber allgemein anerkannt ist auch, dass sie zugleich von instrumenteller Bedeutung ist. Sie dient einer Reihe von breit gefassten Zielen. Erstens fördert sie die Selbstverwirklichung des Einzelnen in der Gesellschaft. Zweitens "ist der beste Test der Wahrheit die Macht des Gedankens, insofern er sich im Wettbewerb des Marktes Anerkennung verschafft", um es in den berühmten von Worten von Richter Holmes (frei nach John Stuart Mill) zu sagen: Abraham v. United States 250 U.S. 616, at 630 (1919), per Holmes J. (dissent). Drittens ist die Freiheit der Rede das Lebenselixier der Demokratie. Der freie Fluss der Informationen und Ideen gestaltet die politische Diskussion. Sie ist ein Sicherheitsventil: Die Menschen sind eher bereit, Entscheidungen zu akzeptieren, die gegen sie gerichtet sind, wenn sie im Prinzip versuchen können, diese zu beeinflussen. Sie wirkt als Bremse gegen den Machtmissbrauch von Vertretern des Staates. Es ermöglicht die Aufdeckung von Irrtümern in der Rechtspflege eines Landes: siehe Stone, Seidman, Sunstein and Tushnett, Constitutional Law, 3rd ed., (1996), 1078-1086

Das House of Lords hat das Recht von verurteilten Straftätern auf Interviews mit den Medien anerkennend in Betracht gezogen. Weder Herr Miloševic noch seine Besucher sind strafrechtlich verurteilt, doch die Entscheidung des Verwaltungschefs des Tribunals entzieht ihnen Rechte, die im Vereinigten Königreich von verurteilte Personen in Anspruch genommen werden können.

Freiheit der Meinungsäußerung vor dem ICTY

In der Angelegenheit Brdjanin hat die Berufungskammer die Freiheit der Meinungsäußerung als ein Grundrecht anerkannt, das nur zum Schutz eines öffentlichen Interesses eingeschränkt werden kann.

Der Verwaltungschef des Tribunals rechtfertigt den Maulkorberlass mit dem Argument, dass die Presseberichterstattung über die Beteiligung von Präsident Miloševic am serbischen Wahlkampf das Mandat des ICTY beeinträchtigen würde:

"IN ANBETRACHT DESSEN, dass die von der Haftanstalt zur Verfügung gestellten Einrichtungen zum Wohlbefinden des Gefangenen gedacht sind, und nicht für Zwecke, die die Funktion des Tribunals beieinträchtigen, zur Herstellung von Frieden und Sicherheit im ehemaligen Jugoslawien beizutragen, und dass die Tatsache, dass ein Gefangener in der Haftanstalt Verbindungen aufgenommen hat, um an einem laufenden serbischen Parlamentswahlkampf teilzunehmen, einen solchen Umstand darstellt, der geeignet ist, den Auftrag des Tribunals zu beeinträchtigen;"

Die Öffentlichkeit sollte eigentlich davon ausgehen können, dass die Funktion eines Tribunals darin besteht, Recht zu sprechen und faire Verfahren durchzuführen und nicht "zur Herstellung von Frieden und Gerechtigkeit beizutragen". Und selbst dann, wenn es für eine rechtsprechende Institution nicht gänzlich unangebracht und schlechterdings gefährlich wäre, die Funktion eines Gendarmen zu erfüllen, kann man immer noch nicht der Argumentation des Verwaltungschefs des Tribunals folgen. Wie ist das zu verstehen, dass Slobodan Miloševics Beteiligung an den serbischen Parlamentswahlen - oder eher die Tatsache, das seine Beteiligung zu "schädlicher Berichterstattung" durch die Medien führen könnte - "geeignet ist, den Auftrag des Tribunals zu beeinträchtigen"?

Der Maulkorberlass verletzt offensichtlich die Rechte von Herrn Miloševic, die Rechte seiner Partei und die Rechte des Volks von Serbien. Und die Rechte der Medien und der allgemeinen Öffentlichkeit werden ebenfalls verletzt.

Tranparenz wird von einer rechtsprechenden Institution verlangt. Das Recht wird pervertiert und entwürdigt, wenn es verwandt wird, um die inneren politischen Angelegenheiten einer souveränen Nation zu beeinträchtigen - insbesondere wenn die Begründung für solch eine Einmischung auf Förderung von "Frieden und Sicherheit" gestützt wird.

Der Maulkorberlass verletzt das grundlegende, allgemein anerkannte Prinzip der Unschuldsvermutung

Nur eine himmelschreiende Missachtung der Unschuldsvermutung kann die Verletzung von Präsident Miloševics Grundrecht auf freie Meinungsäußerung rechtfertigen, wobei die Verletzung der Rechte seiner potentiellen Besucher hinzukommt.

Tatsächlich setzt ein Verbot von Besuchen und Telefongesprächen, das auf die angebliche Kommunikation mit den Medien zu politischen Zwecken erfolgt, voraus, dass Präsident Miloševic schuldig ist, und dass seine Besucher durch Vereinigung mit ihm mitschuldig sind. Das Verbot geht davon aus, dass Herr Miloševic seinen Besuchern üble Dinge mitteilen wird - politische Dinge - die wiederum in den Medien berichtet werden.

Das Verbot scheint auch zu verhindern, dass Informationen, die für Herr Miloševic günstig sind, in den Medien veröffentlicht werden, was nur gerechtfertigt werden könnte, wenn seine Schuld vorausgesetzt wird.

Jedenfalls legt die Entscheidung des Registrars nahe, dass der Öffentlichkeit keine Informationen anvertraut werden können, die im Verlauf eines Besuches bei Herrn Miloševic erlangt werden könnten.

Die Entscheidung des Registrars verstößt gegen Regel 5 der Haftregeln, welche bestimmt:

Alle Gefangenen, abgesehen von jenen, die durch das Tribunal verurteilt worden sind, gelten als unschuldig, bis sie für schuldig befunden worden sind, und sind jederzeit entsprechend zu behandeln.

Der Maulkorberlass kommt einer Anordnung der Isolationshaft von Präsident Miloševic gleich

Das übergeordnete Prinzip im Bezug auf die Haft ist vorstehend dargelegt worden: Alle Gefangenen, abgesehen von jenen, die durch das Tribunal verurteilt worden sind, gelten als unschuldig, bis sie für schuldig befunden worden sind, und sind jederzeit entsprechend zu behandeln.

Dieses Prinzip ist der wesentliche Inhalt der Regel, die Gefangenen das Recht auf Besucher ihrer freien Wahl verleiht, sofern dem keine übergeordneten Sicherheitserwägungen entgegenstehen. Diese allgemeine Regel entspricht UN-Protokollen über Inhaftierung. Amnesty International liefert die folgende Begründung für das Prinzip des freien Zugangs zu Besuchern:

Die Rechte von Gefangenen, mit anderen zu kommunizieren und Besuche zu empfangen, sind grundlegende Sicherheitsvorkehrungen gegen Menschenrechtsverletzungen wie Folter, Misshandlung und "Verschwinden".

Festgenommene und inhaftierte Personen müssen die Genehmigung erhalten, mit der Außenwelt zu kommunizieren, allein unter dem Vorbehalt vernünftiger Bedingungen und Beschränkungen.

Seit März 2003 ist Herrn Miloševic das Recht auf Besuche seiner Ehefrau und Familienangehörigen entzogen worden. Im August verbot der Registrar Besuche von Mitgliedern der Sozialistischen Partei Serbiens und assoziierter Einheiten ("associated entities"). Der vorliegende Erlass stellt ein umfassendes Verbot aller Besuche dar, von sehr beschränkten Ausnahmen, Anwälten und konsularischen Vertretern abgesehen.

Die Entscheidung des Registrars kommt der Verhängung von Isolationshaft über Herrn Miloševic gleich. Sie ist ungerechtfertigt, willkürlich und mutwillig. Ihre Wirkung - die Verletzung des Rechts eines Kandidaten auf freie Meinungsäußerung, der von einer legitimen politischen Partei im Rahmen demokratischer Wahlen rechtmäßig nominiert worden ist, ist ein Schlag gegen jene Idee der internationalen Rechtsprechung, sie den Urhebern der UN-Charta vorschwebte, die in der Souveränität der Staaten, dem Recht der Völker auf Selbstbestimmung und der Ablehnung der Anwendung oder Androhung von Gewalt in den internationalen Beziehungen alles überragende Werte sahen. Das diese Ideale im Namen der Justiz selbst pervertiert werden, kann nur bedeuten, das internationale Recht in Frage zu stellen.

Tiphaine Dickson, Rechtsanwältin

Den Haag, den 14. Dezember 2003


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