Putsch in Belgrad

Moritz Hunzinger, Einflußagent der Rüstungsindustrie, hat sich nicht nur einen deutschen Verteidigungsminister gehalten, sondern auch den serbischen Ministerpräsidenten aufgebaut

In Belgrad hat ein "Staatsstreich" stattgefunden, aber im freien Westen interessiert das niemanden. Der Terminus stammt aus einer Protesterklärung der Demokratischen Partei Serbiens (DSS), der Partei des jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica. Der serbische Premier Zoran Djindjic habe eine "Diktatur" eingeführt und bediene sich "Mafiamethoden wie seinerzeit Slobodan Milosevic", heißt es weiter. Selbst die Berliner "Tageszeitung", ansonsten zuverlässiger Fürsprecherin von Djindjics prowestlichem Kurs, war geschockt, wenn auch nur für einen Tag: "Was für eine Zukunft hat Serbien, wenn selbst ein demokratisches Regime seine Gegner mit repressiven Mitteln beseitigt?"

Vorgefallen war dieses: Ende Juli hatte die Djindjic-hörige Mehrheit im Regierungsbündnis DOS die Kostunica-Partei DSS aus dem DOS-Bündnis ausgeschlossen sowie ihr - und hier beginnt der Verfassungsbruch - alle 21 Sitze im serbischen Parlament aberkannt und die freiwerdenden Mandate eigenen Leuten zugeschanzt. Gegen einen ersten Vorstoß in diese Richtung vom Frühjahr hatte die DSS das Verfassungsgericht angerufen und am 26. Juli Recht bekommen. Genützt hat es nichts - Djindjic zog sofort die Notbremse, und zum Machterhalt war das auch notwendig: Hätte er die DSS-Sitze nicht für seine Leute in Beschlag genommen, hätte seine Mehrheit im serbischen Parlament gewankt. Die kaltschnäuzige Vorgehensweise ähnelt dem Vorgehen bei der Auslieferung Slobodan Milosevics Ende Juni letzten Jahres: Auch damals hatte das Verfassungsgericht sein Veto eingelegt und war dann von Djindjic düpiert worden, der den Gefangenen kidnappen und nach Den Haag überstellen ließ. Das Verfassungsgericht, in einem Rechtsstaat die letzte Instanz für Beschwerden der Bürger gegen die Obrigkeit, hat im heutigen Serbien keinerlei Macht mehr, und ebenso steht es jetzt um das Parlament. Nach der Entmachtung von Judikative und Legislative geht die gesamte Staatsgewalt von der Exekutive aus - und die wird von Djindjic kommandiert.

Djindjics Schlag gegen Kostunica ist deshalb so dreist, weil er ohne dessen Unterstützung niemals an die Schalthebel der Macht gekommen wäre. "Nur weil Djindjic auf seine eigene Kandidatur verzichtete und als Königsmacher den wenig polarisierenden Kostunica favorisierte, konnte die Opposition ... die nötige Schlagkraft mobilisieren", kommentierte der "Spiegel" nach dem Sturz von Milosevic im Oktober 2000. Nur mit dem Kostunica-Bonus konnte der smarte Endvierziger auch die Wahlen zum serbischen Parlament am 23. Dezember 2000 gewinnen: Obwohl Djindjic der designierte Premier des DOS-Bündnisses war, wurde er in den Wahlkampfmaterialien von DOS nirgends erwähnt, sein Konterfei war auf Plakaten nicht zu sehen. Auf dem Stimmzettel stand über der DOS-Liste in großen Lettern DR. VOJISLAV KOSTUNICA, erst unter ferner liefen folgte Djindjic.

Der Bruch zwischen beiden war die Auslieferung von Milosevic - schon damals sprach Kostunica von einem "begrenzten Staatsstreich", ließ den Worten aber keine Taten folgen. Erst im Herbst 2001 dankten die DSS-Minister ab und überließen die Regierungsarbeit der Djindjic-Crew. Vorausgegangen war ein Gangsterstück der besonderen Art: Am 3. August war der ehemalige Geheimdienstoffizier Momir Gavrilovic auf offener Straße erschossen worden, nachdem er Kostunicas Beratern Material über Verbindungen Djindjics zum organisierten Verbrechen übergeben hatte. (vgl. KONKRET 10/2001)

Kommandostab Hunzinger

Das Drehbuch für den jetzigen Machtkampf hat Djindjic offensichtlich am 29. November 2001 mit seinen deutschen Kontaktleuten abgestimmt, und zwar anläßlich eines Besuches beim Frankfurter Rüstungslobbyisten Moritz Hunzinger. Gleich sieben Minister hatte Djindjic mit zu Hunzingers Politischem Salon gebracht, im Publikum saßen 226 Bundestagsabgeordnete - weitaus mehr als an durchschnittlichen Plenartagen im Reichstag - und 37 Staatssekretäre beziehungsweise Ministerialdirektoren, dazu mehrere Dutzend Vertreter der Wirtschaft. Von der operativen Ebene der deutschen Außenpolitik waren gekommen: Gerhard Schröders Staatsminister Martin Bury und Bundeskanzleramts-Referatsleiter Ruprecht Brandis, Heinrich Kreft vom Planungsstab des Auswärtigen Amtes, Karl Lamers als außenpolitische Stratege der CDU/CSU-Fraktion, die Mitglieder des Verteidigungsausschusses Manfred Opel und Hans Raidel sowie Fregattenkapitän Dirk Peddinghaus und Andrea Schürmer als Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums. Der Bundesnachrichtendienst hatte Hans-Josef Beth delegiert, vom Bundesamt für Verfassungsschutz war dessen Präsident Peter Frisch gekommen.

Zwar sind Djindjics Ausführungen im offiziellen und im vermutlich wichtigeren inoffiziellen Teil des Abends nicht veröffentlicht worden. Immerhin ist aufschlußreich, was die "Frankfurter Neue Presse" am übernächsten Tag preisgab. Auszüge: "´Wir haben in Serbien ein Autoritäts- und Machtzentrum, wir haben dabei die Macht´, sagt Djindjic im Gespräch bei der Hunzinger-Information AG. Als das demokratische Oppositions-Bündnis DOS im Herbst 2000 drangegangen sei, Milosevic zu stürzen, habe man jemanden gebraucht, der beim ganzen Volk Autorität besaß, das sei Kostunica gewesen. Man habe dessen Bedeutung zunächst einmal bewußt ´aufgeblasen´, doch nach Regierungsantritt habe sich Djindjics Demokratische Partei, die stärkste Kraft im DOS-Bündnis, von der ´Balkan-Politik´ der kleineren Kostunica-Partei Demokratische Partei Serbiens gelöst ... Damit sei klar, wer die Macht in Serbien habe: die Regierung Djindjic und nicht Kostunica." Der Premier machte weitreichende Versprechungen: "Die neue serbische Regierung ... würde laut Djindjic ´sofort´ akzeptieren, wenn Montenegro die Bundesrepublik Jugoslawien endgültig verließe. Auch die Autonomie des Kosovo würde akzeptiert, falls Europa dies wünsche. Djindjic warnt aber, man solle sich im Klaren darüber sein, daß der Preis für ein selbständiges Kosovo ´sehr hoch´ sei." Wer Empfänger des Preisgeldes sein sollte, ließ Djindjic offen. Es ist allerdings ein offenes Geheimnis, daß die Referenten in Hunzingers Salon "im Regelfall 20.000 Mark pro Vortrag" ("Stern") erhielten. Djindjic referierte zwei Mal, vor dem November 2001 bereits im Frühjahr 1998.

Wegen ähnlicher Kontakte zu Hunzinger sind in Deutschland Köpfe gerollt. Verteidigungsminister Rudolf Scharping wurde gefeuert, weil ihm Hunzinger in zwei Tranchen 140.000 Mark überwiesen hatte, hinzu kamen ein mit diesem Kapital getätigter Spekulationsgewinn von rund 20.000 Mark und eine höchstwahrscheinlich von Hunzinger beglichene Rechung des Nobel-Ausstatters Möller&Schaar in Höhe von knapp 55.000 Mark. Der grüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir trat zurück, nachdem bekanntgeworden war, daß er von Hunzinger einen zinsgünstigen Kredit von 80.000 Mark in Anspruch genommen hatte.

Hunzinger lebt davon, Politiker mit Managern zusammenzubringen, besonders mit Managern aus der Rüstungsindustrie. "Er dreht in diesem Bereich das größte Rad", sagt einer seiner Duzfreunde. Nach "Stern"-Recherchen zählt "die Crème der deutschen Rüstungsindustrie zu seinen Kunden: laut Selbstauskunft (Hunzingers) ´alle´ von Daimler-Chrysler Aerospace bis Rheinmetall ´plus 60 Zulieferer´". Diese Kunden leisten "üblicherweise ... Monatspauschalen in unterschiedlicher Höhe", und mit diesem Geld finanziert Hunzinger seine Parlamentarischen Abende und Politischen Salons inklusive der Honorare für die Referenten.

Der Wahlspruch des großen Kommunikators: "In der Welt der Netzwerke gibt es auf Dauer keine Leistung ohne Gegenleistung." Scharpings wichtigste Gegenleistung war - neben seinem Einsatz für U-Boot-Verkäufe in Krisenregionen auf Wunsch des Hunzinger-Kunden Hannfried Haun, inzwischen Vorstandschef der Werftengruppe HDW - seine Performance im Kosovo-Krieg. "Der Lobbyist, der sich einen Verteidigungsminister hielt", resümierte der "Stern". Laut Micha Brumlik hat die Auschwitz-Assoziationen in der Kosovo-Propaganda, etwa Scharpings frei erfundenes "KZ in Pristina", "möglicherweise Moritz Hunzinger konzipiert". Erwiesen ist immerhin, daß der Frankfurter Kontakt-Kleber für Scharping schon kurz nach dessen Amtsübernahme im Oktober 1998 ein Konzept für den "komunikativen Auftritt" entworfen hat. Ziel war unter anderem die "Alleinstellung des zentralen sozialdemokratischen Außen- und Sicherheitspolitikers, des ersten populären - aber hoch intelligenten - sozialdemokratischen ´Soldatenministers´ nach Georg Leber". Per Rechnung vom 22. März 1999 bekam Scharping die zusammen mit Hunzinger ausgewählten Designer-Anzüge, die er während des Krieges auf seinen Pressekonferenzen zur Schau stellte. Pünktlich zum Bombardierungsbeginn am 24. März 1999 schrieb der PR-Mann an den "sehr verehrten, lieben Herrn Bundesminister Scharping". Einfühlsam begann das Schreiben: "Was Sie derzeit alles durchmachen müssen (... Kosovo ...) - ich bin in Gedanken bei Ihnen!"

Auch während des Nato-Angriffs auf Jugoslawien, im April 1999, waren Scharping und Djindjic Gast im Politischen Salon Hunzingers - aber nicht als Referenten, sondern als Zuhörer und Mitdiskutanten. Den Vortrag hielt General Klaus Reinhardt, der spätere Kfor-Oberbefehlshaber. Bei dieser erlauchten Zusammenkunft muß es zu konkreten Vereinbarungen über die Bombenziele in Jugoslawien gekommen sein. Die "Financial Times Deutschland" stellt dar, wie ein deutscher Wirtschaftskapitän sich in die Bombenplanung einbringen konnte: Herbert M. Rudolph, ehemals Chef von Messer Griesheim, einem führenden Unternehmen für Industriegase, "saß während des Kosovo-Krieges in Hunzingers Salon und lauschte den Vorträgen. In Gedanken war er woanders: Die Nato bombardierte Restjugoslawien und dort hatte Messer Griesheim wichtige Fabriken und Depots. Nun war aber auch Verteidigungsminister Rudolf Scharping zugegen und ein Kfor-Oberbefehlshaber (die "FTD" meint offensichtlich Reinhardt, der damals aber noch nicht Kfor-Oberbefehlshaber war, denn die Kfor gab es noch nicht - Anm. KONKRET). Schad´ nix, dachte sich Rudolph. Und es schadete sicher auch nichts, daß in Hunzingers Aufsichtsrat mit Günther Kießling der ehemalige Nato-Oberbefehlshaber saß. Jedenfalls vernichteten die Flieger in Serbien Ölraffinerien und Benzindepots, die Anlagen von Messer Technogas blieben unbeschädigt, obwohl sie wichtig für die Stahlproduktion des Landes waren. Da zahlte Rudolph sicher gerne die teure Platzkarte im Salon."

Zeitgleich zum Bielefelder Kriegsparteitag der Grünen Mitte Mai tourte Djindjic mit dem montenegrinischen Präsidenten Milo Djukanovic durch Westeuropa und unterstützte die Nato-Agression. "Mit Blick auf den Grünen-Parteitag sprach sich Djindjic gegen einen einseitigen Stopp der Nato-Luftangriffe aus," meldete die Nachrichtenagentur ddp am 15. Mai. Und weiter: "Den serbischen Ankündigungen eines Truppenrückzuges aus dem Kosovo traut Djindjic nicht. Die Reaktionen, die dazu aus Washington nach Bonn gekommen seien, zeigten zudem, ´daß Ankündigungen nicht reichen´. Ohne verifizierbaren Rückzug der Truppen, die Rückkehr der Flüchtlinge und eine internationale Truppenpräsenz im Kosovo seien ´keine Kompromisse möglich´." Damit repetierte er die Maximalforderungen von Schröders Kriegskabinett.

Ein Hotelzimmer ohne Fenster

Djindjic war - neben Scharping - Hunzingers bestes Pferd im Stall. Erste Kontakte hat es vielleicht schon gegeben, als der Serbe Ende der siebziger/Anfang der achtziger Jahre in Frankfurt studierte. 1998 sagte Hunzinger gegenüber einer Münchner Publizistin, er kenne Djindjic "schon ewig". Nach dem Krieg wurden die Kontakte intensiviert: Im August 1999 finden zwei Treffen statt, eines in Serbien und eines in Deutschland. Ende Oktober 2000 ("gleich an seinem ersten freien Wochenende nach der Revolution" - "Spiegel" ) kommt Djindjic in Berlin auf Einladung von Hunzinger mit Vertretern des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT) und bei einem "exklusiven Abendessen" ("Spiegel") mit Scharping zusammen, später auch mit Fischer. Am 8. Dezember 2000 sieht man Djindjic neben Skandalnudel Sabrina Setlur bei der Verleihung des Burda-Medienpreises - aus der Hand von Angela Merkel erhält er einen Bambi, Hunzinger hat alles arrangiert. Am 20. Dezember 2000 ist das unzertrennliche Duo schon wieder in Serbien und übergibt in der Stadt Leskovac eine sogenannte humanitäre Spende, gesponsert von RWE und den Marseille-Kliniken (Inhaber: Ulrich Marseille, späterer Parteifreund des Rechtspopulisten Ronald Schill). Am 23. Dezember ist die Hunzinger AG "live dabei" (www.hunzinger.de), als in Belgrad ein neues serbisches Parlament gewählt wird. Kurz danach tritt der frischgebackene Premier "erstmals nach der Wahl öffentlich in Deutschland auf" - bei Hunzinger.

So wichtig Djindjics Zusammenspiel mit dem CDU-Mann Hunzinger während des Krieges und nach dem Sturz von Milosevic war - die Vorbereitung der serbischen "Oktoberrevolution" im Jahr 2000 lief offensichtlich vorzugsweise über die sozialdemokratische Schiene: über die Friedrich Ebert-Stiftung (FES) und Balkanpakt-Koordinator Bodo Hombach. 1989 ermöglicht die FES dem früheren Habermas-Studenten einen dreimonatigen Aufenthalt in der Bundesrepublik, bei dem dieser "inspirierende Menschen, Intellektuelle und Politiker" (Djindjic im Rückblick) traf. Der so inspirierte Jungpolitiker gründet kurz darauf in Serbien die Demokratische Partei (DS), in der er von 1990 bis heute Führungspositionen bekleidet. Auch 1996 und 1998 referiert Djindjic bei der FES. Nach dem Sieg der Nato im Bombenkrieg tritt der Kampf um die Macht in die heiße Phase. Die FES schreibt in ihrem Arbeitsbericht über das Jahr 2000: "Die FES hat als einzige politische Stiftung ihren Bürobetrieb in Belgrad auch in Kriegs- und Konfliktsituationen fortgesetzt und trug durch kontinuierliche Unterstützung der oppositionellen Kräfte zur Vorbereitung der Wahlkampagne der demokratischen Opposition und letztlich zum Machwechsel Anfang Oktober bei. Dabei konnte die FES - in enger Zusammenarbeit mit deutschen Regierungskreisen - auf die langjährige Partnerschaft mit wichtigen Leitfiguren des Umsturzes zurückgreifen: Zoran Djindjic, General Vuk Obradovic, Zarko Korac, Branislav Canak, Goran Svilanovic und die Wissenschaftler der Gruppe G17 (um) Miroljub Labus."

Wie die "Unterstützung zum Machtwechsel" aussah, konnte man im Oktober 2000 im "Spiegel" nachlesen: Ab September 1999 treffen sich unter der Ägide von Hombach und auf Einladung der FES regelmäßig im ungarischen Szeged die oppositionellen Bürgermeister Serbiens mit Vertretern deutscher Partnerstädte. "Die Städtepartnerschaften waren freilich nur ein Trick, um zu kaschieren, daß Deutschland - wie andere Staaten - der Opposition direkt unter die Arme greift. " Am 17. Dezember 1999 "versammelten Fischer und (die damalige US-Außenministerin) Albright die namhaftesten jugoslawischen Oppositionellen am Rande eines G-8-Treffens in einem fensterlosen Raum des Interconti-Hotels an der Budapester Straße in Berlin. Mit von der Partie: Zoran Djindjic und Vuk Draskovic ... Die wirklich kooperationswilligen Milosevic-Gegner einigten sich auf den bis dahin weitgehend unbekannten Kostunica als Präsidentschaftskandidaten." Nachdem die Strategie klar ist, fehlt nur noch das Geld. Folglich mobilisiert Hombach knapp 17 Millionen Mark für die Städtepartnerschaften, die "in Wahrheit aus dem Fundus des Auswärtigen Amtes für den Stabilitätspakt" stammen, weitere vier Millionen transferierte er nach seinen eigenen Worten "sehr, sehr heimlich" an die oppositionellen Medien. Djindjic als Wahlkampfmanager des DOS-Bündnisses kann, anders als der bloß vorgeschobene Kostunica, bei der Mittelvergabe mitentscheiden - Ende Juni 2000 trifft er sich mit Hombach auf einem FES-Seminar in Brüssel. Ab Ende August 2000 bis zum Sturz Milosevics am 5. Oktober ist Fischer höchstpersönlich "in täglichem Kontakt mit der serbischen Opposition", schreibt die Hunzinger AG.

Hombachs Imperium

Djindjic und Hombach feiern den Jahreswechsel 2001/2002 in Dubais Nobel-Hotel Burj Al Arab, im Februar wird der Sozialdemokrat Geschäftsführer des Presse-Imperiums der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" ("WAZ") und übernimmt mit 49 Prozent den Belgrader "Politika"-Verlag, dem die traditionsreiche Tageszeitung gleichen Namens, 13 weitere Zeitungen und Zeitschriften, ein riesiges Bürohaus im Herzen der Stadt, eine Druckerei und ein umfassendes Vertriebsnetz gehören. Angeblich soll kroatisches Kapital - "WAZ"-Partner im Sezessionsstaat ist die ultranationalistische Europapress Holding (EPH) - mit 25 Prozent an dem Coup beteiligt gewesen sein. Damit dirigiert der Hombach-Konzern direkt oder über Schachtelbeteiligungen in Südosteuropa 23 Zeitungen, 38 Zeitschriften und 10 Anzeigenblätter und hält auch Anteile am kroatischen und bulgarischen Fernsehen. Seine Devise: "Mit einem modernen Layout und ein paar Millionen kann man da alles abräumen." Jüngste Neuerwerbung: Vor fünf Wochen kaufte die "WAZ" mit zehn Millionen Euro "Dnevnik", die führende Tageszeitung der nordserbischen Vojvodina.

Den Rest erledigt Djindjic. "Die serbischen Medien geraten ... immer stärker unter politischen Druck", berichtete die "Frankfurter Rundschau" Ende Juli. Der Chefredakteur der Wochenzeitung "Reporter" bekam Besuch von der Polizei, weil sein Blatt über ein angebliches Abhörzentrum in Djindjics Regierungsgebäude berichtet hatte. Die Tageszeitung "Nacional" wurde wegen eines KONKRET-Nachdrucks mit einer Zehn-Millionen-Dinar-Klage überzogen. Nachdem die DSS-Abgeordneten aus dem Parlament vertrieben wurden, müssen nun auch die Sozialisten stillgestellt werden, damit sie vor den serbischen Präsidentschaftswahlen Ende September keine Unruhe stiften. Der erste Schritt war die Spaltung der Partei Ende Juni, der Organisator der pro-westlichen Neugründung soll im Bunde mit Djindjic stehen. Der amtierenden Vorsitzende der Milosevic-treuen Partei, Mirko Marjanovic, wird zusätzlich mit einer Schmutzkampagne überzogen: Er soll ein millionenschweres Schwarzgeldkonto bei der Schweizer UBS unterhalten. Die Sache hat nur einen Schönheitsfehler: Auf der Einzahlungsquittung fehlt sowohl die eingezahlte Währung als auch die Unterschrift von Marjanovic.

Tauchen Dokumente über Djindjics Schwarzgelder auf, genügen aber nicht einmal beeidete Unterschriften: Als der serbischen Presse in den letzten Wochen brisantes Material über dessen Hunzinger-Kontakte, die noch über das hier dargelegte hinausgehen, angeboten wurden, winkten alle ab. "Wenn wir das drucken, können wir einpacken", äußerte ein Redakteur der auflagenstärksten Tageszeitung "Vecernje Novosti".

Der Autor bedankt sich bei Vlado Nadazdin, Klaus von Raussendorff, Milan Vuckovic und Klaus Hartmann für Informationen.

Jürgen Elsässer
Aus: konkret, Heft 09, September 2002


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